Lies: „Verantwortung übernehmen, Zuversicht verbreiten“

ALFELD. Hohe Energiekosten, immer weniger Fachkräfte, schlechte Infrastruktur, ein mangelhaftes Bildungssystem, immer mehr Bürokratie und dazu eine sich ständig in der Öffentlichkeit streitende und unberechenbare Bundesregierung – so fasste Anke Hoefer-Deiters, Vorsitzende des Industrieverein Alfeld-Region e.V. (IAV) die von ihr und vielen Mitgliedern wahrgenommene Stimmung zu Beginn des traditionellen Jahresempfangs im  Fagus-Werk zusammen. Die Beschreibung der Probleme sei richtig, nahm Olaf Lies (SPD),  Niedersächsischer Minister für Wirtschaft, Verkehr, Bauen und Digitalisierung, den Ball vor den rund 80 Unternehmern und Führungskräften aus dem Landkreis Hildesheim auf. Und auch der Kritik an der Bundesregierung schloss sich der Sozialdemokrat an. So fehle es an einem geschlossenen Auftreten nach außen, professioneller Kommunikation und nicht zuletzt Verlässlichkeit der Beschlüsse.

„Die Streichung der E-Auto-Prämie von heute auf morgen war eine Katastrophe“ und die Diskussion um ein Heizungsgesetz im Sommer wenig hilfreich. Dabei gebe es durchaus Erfolge: „Ich kann mich an keine Bundesregierung erinnern, die so viele Beschleunigungen und Vereinfachungen auf den Weg gebracht hat“, so Lies und versuchte, den Blick nach vorne zu richten: „Als Ingenieur stehe ich für Lösungen“. Dabei gehe es nicht um Zuständigkeiten, sondern um Verantwortlichkeit. Und verantwortlich sei die Politik insgesamt, so Lies, und mahnte zugleich eine stärkere Zusammenarbeit von Regierung und Opposition an. Beide Seiten müssten ihren Teil dazu beitragen.

Eines der zentralsten Themen für Wirtschaft und Verbraucher gleichermaßen sei die Senkung der Strompreise durch Abschaffung der Netzentgelte und den weiteren konsequenten Ausbau erneuerbarer Energien. Doch die Verantwortung liege nicht nur in der Bundes- und Landespolitik: „Wir könnten viele Milliarden Euro einsparen, wenn wir die neuen Stromtrassen oberirdisch verlaufen ließen“, gab der Minister zu bedenken. Ein weiteres Thema, das ihn umtreibe, der Mangel an bezahlbarem Wohnraum und die Folgen für Bauwirtschaft und Handwerk. Lies warb für die geplante Überarbeitung der Niedersächsischen Bauordnung. Der darin vorgesehene „Gebäudetyp E“ ermögliche etwa im Geschosswohnungsbau dünnere Wände und Decken, auch der Wegfall der Stellplatzpflicht sei Bestandteil des Vorschlags. „Etwas hellhöriger oder keine neuen Wohnungen? Keine Tiefgarage oder keine neuen Wohnungen?“, überließ Lies die Antwort den Zuhörern.

„Stehen nicht vor dem Abgrund!“

Die Notwendigkeit zum Handeln unterstrich der Minister auch beim Umgang mit Geflüchteten. So sei es notwendig, bereits in den Erstaufnahmeeinrichtungen Sprachkurse – auch etwa digital oder über „Babbel“ – anzubieten. Warum der Erkenntnis noch keine Umsetzung gefolgt sei, wollte daraufhin Klaus Bernhard, Geschäftsführer der Waggonbau Graaff GmbH aus Elze, wissen. Bis zur Anerkennung des Aufenthaltsstatus sei der Bund zuständig, aber man sei in Gesprächen, so der Minister und warb für pragmatische Lösungen vor Ort. Auf einen anderen Missstand machte Dr. Jan Olaf Schulenburg aufmerksam: In nur wenigen Fällen werde eine Ganztags-Kinderbetreuung angeboten, so dass der Organisationsaufwand für Eltern wie Betriebe groß sei. „Die Kinderbetreuungszeiten müssen sich an den betrieblichen Anforderungen orientieren“, forderte der Geschäftsführer der Elzer ISO Elektra GmbH. Negative Auswirkungen auf Unternehmen werde auch die diskutierte Einführung eines zusätzlichen Feiertags bringen, gab Ulrich Behre, Geschäftsführer der Meyer Seals Alfelder Kunststoffwerke Herm. Meyer GmbH zu bedenken. „Jede Legislaturperiode ein neuer Feiertag ist nicht das richtige Signal“, stimmte Lies zu und sagte zu, im Kabinett für diese Position zu werben. Ein konstruktives Streitgespräch entwickelte sich zum Ende zwischen Lies und Franc Schulz, Leiter der BBS Alfeld, der sich klar für die Weiternutzung der Atomkraft in Deutschland aussprach. „Durch Atomkraft wäre der Strom nicht einen Cent günstiger“, so der Minister. Wieso er trotz aller Herausforderungen optimistisch sein könne? „Die Lösung für Vieles liegt in unseren eigenen Händen“. Deutschland stehe nicht vor dem Abgrund und sei auch kein Entwicklungs- und Schwellenland. Was es brauche, seien Zuversicht und Aufbruchsstimmung, so Lies. (AB)

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